Hintergrundinformationen

Was ist eine Essstörung?
Bei einer Essstörung handelt es sich um eine psychosomatische Störung. Essstörungen zeigen sich durch ein gestörtes Verhältnis zum Essen und zum eigenen Körper. Auch wenn es ganz unterschiedliche Formen von Essstörungen gibt, so ist allen gemeinsam, dass das Leben der Betroffenen durch das Essen und die Gedanken darum bestimmt wird. Es dominiert ihren gesamten Tagesablauf und ihre sozialen Beziehungen. Dabei sind Essstörungen nicht nur ein Problem mit dem Essen, sondern sie sind eine kreative, aber selbstzerstörerische Bewäl-tigungsstrategie der Betroffenen für ihre tiefer liegenden Schwierigkeiten.


Die Ursachen und Einflüsse für eine Essstörung sind vielfältig, individuell verschieden und setzen sich aus vielen Faktoren zusammen. Zu den unterschiedlichen Einflüssen zählen per-sönliche, familiäre, soziale und biologische Aspekte. Auf der persönlichen Ebene können dies ein geringer Selbstwert oder Selbstzweifel sein. Dazu kann kommen, dass es in der Familie immer wieder Konflikte oder Spannungen gibt. Das gängige Schönheitsideal, das Schlanksein mit Erfolg und Beliebtheit gleichsetzt und die dazu gehörigen Diäten spielen bei der Entste-hung einer Essstörung ebenfalls eine große Rolle und können Vorläufer für ein gestörtes Essverhalten sein. Gerade Mädchen als auch Jungen in der Pubertät sind gefährdet eine Essstörung zu entwickeln, da ihre eigenen Identität und Persönlichkeit sich noch in der Entwicklung befindet und noch nicht so gefestigt ist.


Es lassen sich drei Formen von Essstörungen unterscheiden: Magersucht (Anorexia nervosa), Bulimie/Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa), und die Binge-Eating-Störung (Esssucht). Neben diesen 3 klassischen Formen der Essstörungen treten auch immer Mischformen auf und es gibt fließende Übergänge gestörten Essverhaltens zum Beispiel von der Magersucht zur Bulimie.

Magersucht (Anorexia nervosa)
Die Magersucht ist die am längsten bekannte Essstörung. Sie ist vor allem gekennzeichnet durch die Verweigerung von Nahrung bzw. durch das Essen von nur minimalen Mengen wie z.B. nichts weiter als einen Magerjoghurt und eine Karotte am Tag. Ein Diagnosekriterium für die Magersucht ist dabei der Gewichtsverlust von 20% des Ausgangsgewichts innerhalb von kurzer Zeit (3-4 Monate). Nimmt man den Body-Maß-Index (BMI) als Maßstab, wird ab einem BMI von unter 17,5 von einer Magersucht gesprochen. Neben der streng kontrollierten und eingeschränkten Nahrungsaufnahme, kann es sein, dass die Betroffenen viel Sport treiben und Abführmittel nutzen, um ihr Gewicht zu kontrollieren. Bei der Magersucht gibt es den restriktiven Typ, bei dem die Nahrung von den Betroffenen streng reduziert wird und den Purging-Typ, bei dem die Betroffenen auch normale Essensportionen erbrechen.


Menschen, die unter Magersucht leiden, zeigen ritualisiertes Essverhalten, kochen oder ba-cken gerne für andere und vertuschen dabei, dass sie selber davon nichts zu sich nehmen. Besonders zu betonen ist die meist mangelnde Krankheitseinsicht der Betroffenen, die Ver-leugnung des Untergewichts und der Gefährdung. Der eigene Körper wird verzerrt wahrge-nommen und die Betroffenen empfinden sich trotz zum Teil lebensgefährlichen Unterge-wichts als zu dick. Die Betroffenen haben keinen Kontakt mehr zu ihrem eigenen Körper und ihren Bedürfnissen. Der Körper wird eher als Feind erlebt, der bekämpft wird. Die Kontrolle gibt ihnen das Gefühl, autonom und unabhängig zu sein. Folgen der Magersucht können auf der seelischen Ebene sozialer Rückzug, Schuldgefühle, selbst verletzendes Verhalten, Selbst-hass, zwanghaftes Verhalten und depressive Verstimmungen sein. Körperlich werden die Folgen deutlich durch beispielsweise das Ausbleiben der Menstruation, Absinken des Pulses, des Blutdrucks und der Körpertemperatur. Viele Betroffene empfinden Müdigkeit, ständiges Frieren oder leiden an Verdauungsschwierigkeiten. In extremen Fällen entwickelt sich eine flaumartige Körperbehaarung. 5-6% aller Magersüchtigen sterben an ihrer Essstörung. Es besteht die Gefahr, dass die Magersucht chronisch wird.   

Bulimie/ Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa)
Im Vergleich zur Magersucht ist die Bulimie äußerlich schwerer auszumachen. Die Betroffe-nen haben eine normale Figur oder sind eher schlank. Von außen ist kaum zu erkennen, dass sie Probleme haben und Unterstützung benötigen. Die Bulimie ist eine schambesetzte und heimliche Essstörung. Die Betroffenen führen in gewisser Weise ein Doppelleben. Nach au-ßen täuschen sie eine heile Fassade vor, sie sind klug, attraktiv und erfolgreich im Beruf. Die betroffenen Frauen und Männer (durchschnittliche Ersterkrankung liegt zwischen 18-35 Jahren) kontrollieren sich bei gemeinsamen Essen mit FreundInnen und Familie. Sie bevorzugen bei diesen Mahlzeiten fettarme Kost oder Lightprodukte. Auf der anderen Seite beherrscht die Betroffenen eine ständige Angst, dick zu werden und sie beschäftigen ständig mit ihrer Figur und ihrem Gewicht. Frauen und Männer mit Bulimie haben mindestens 2 Essattacken in der Woche. Bei diesen Essattacken haben die Betroffenen das Gefühl, keine Kontrolle mehr über sich und das Essen zu haben und schlingen in kurzer Zeit große Mengen an Nah-rung in sich hinein. Für die Essanfälle horten sie einen großen Vorrat an Lebensmittel, geben dafür viel Geld aus und gleichzeitig haben sie Angst davor, die ganzen Lebensmittel zu Hause zu wissen. Nach den Essattacken fühlen die Betroffenen sich schlecht, haben ein Gefühl von Anomalität. Sie versuchen diese Essanfälle rückgängig zu machen durch selbstinduziertes Erbrechen, viel Sport treiben, Abführmittel einnehmen oder strikte Diät halten. Körperlich zeigen sich die Folgen der Bulimie an Herzrhythmusstörungen, Kreislaufproblemen, Zahnschmelzschäden, oder Risse in der Speiseröhre. Psychisch kann es in Folge der Bulimie zu Depressionen bei den Betroffenen kommen, sie verleugnen die Essstörung und versuchen die Fassade vor anderen aufrecht zu halten. Die eigene Person wird entwertet und dies kann bis zum Selbsthass gehen. Selbstverletzendes Verhalten, ein Gefühl der Hilflosigkeit, Scham und Schulgefühle sind weitere Folgen der Bulimie.

Binge-Eating-Disorder (engl. binge = schlingen)
Die Binge-Eating-Disorder zeichnet sich im Unterscheied zur Bulimie dadurch aus, dass die Essanfälle von den Betroffenen nicht durch Gegenmaßnahmen wie z.B. Erbrechen oder Sport kompensiert werden. Somit kommt es meist zu einer Gewichtszunahme. Die Betroffenen haben häufige Heißhungeranfälle bei denen sie in kurzer Zeit große Mengen Nahrung scheinbar hemmungslos verschlingen. Diese Anfälle sind regelmäßig (etwa 2x pro Woche) und verursachen bei den Betroffenen danach Schuldgefühle, Selbstvorwürfe und Depressionen. Die Anfälle sind dabei unabhängig von einem körperlichen Hungergefühl. Ein Gefühl für Hunger und Sättigung haben die betroffenen Frauen und Männer meist verloren. Sie schlucken ihre Gefühle wie Wut oder Traurigkeit hinunter und fühlen sich häufig einsam und antriebslos. Die Betroffenen bevorzugen meist bewegungsarme Freizeitbeschäftigungen wie zum Beispiel Fernsehen oder Computerspiele und betätigen sich wenig körperlich. Körperlich zeigen sich die Folgen der Binge-Eating-Disorder zum Beispiel in Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gelenkleiden, Wirbelsäulenschäden oder Diabetes mellitus. Die Betroffenen leiden an Depressionen, hassen ihren eigenen Körper, haben Probleme, ihre eigenen Grenzen zu spüren oder flüchten sich in Tagträume.